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Petrit Halilaj

22.06. - 16.11.2013

In seiner Ausstellung im Tongewölbe T25 zeigt Petrit Halilaj eine Reihe von Arbeiten, die für seine Untersuchungen und Interessen typisch sind.

Im ersten Raum befinden sich Zeichnungen aus der Serie 'Bourgeois Hen'. Auf diesen Zeichnungen sind Hühner zu sehen, die zu wunderschönen Vögeln werden; sie verwandeln sich in ästhetische Kreaturen, um sich selbst und dem Betrachter zu gefallen. Diese Arbeiten können als Metapher für den Migrationsprozess vom Land in die Stadt gesehen werden, ein Trend, wie er in Prishtina, Kosovo, stattfindet. Es war ein Wunsch, den der Künstler verfolgte, ein neues Haus für sich und seine Familie in der Stadt zu bauen.      

Dieser Prozess begann mit einer großen Installation: 'The places I’m looking for, my dear, are utopian places, they are boring and I don’t know how to make them real', 2010, welche auf der Berlin Biennale gezeigt worden war.

 

Die Umwandlungen, die sich im Heimatland des Künstlers ereignen, stellen  zusammen mit einer persönlichen Referenz an diese Mechanismen den hauptsächlichen Einfluss auf seine künstlerische Praxis dar. Die „Bourgeois Hen“ sind Hühner, die in die Stadt kommen und „bourgeois“ werden. In der Stadt haben die Familien keine Bauernhof-Tiere mehr, diese werden durch Haustiere ersetzt. Deshalb muss ein Huhn, das in die Stadt gehen will, ein Papagei oder Kanarienvogel oder ein schöner exotischer Vogel  werden. Wenn Schönheit und Eleganz das Erscheinungsbild ausmachen, kann das zu grotesken und übertriebenen Ergebnissen führen; dies wird zum Beispiel auch an bestimmter Architektur und am Innendesign neureicher kosovarischer Familien erkennbar.     

 

Im zweiten Raum stoßen wir auf ein weiteres Thema, das dem Künstler am Herzen liegt: das Nest. Als Metapher für das Haus mit seinem Schutz und seiner Intimität, bezieht sich das Nest gleichzeitig auf den Vogel wie auf den Menschen in seiner familiären Umgebung. Das Haus und das Nest treten in den Werken des Künstlers häufig auf. Einige frühere Arbeiten, in denen sich der Künstler mit diesem Thema beschäftigte, sollen hier erwähnt werden: die Eröffnung der Räume der Chert Galerie in Berlin Kreuzberg 

('Bathroom wall, water pipes, shower rail', 2008); dann wieder anlässlich seiner Einzelausstellung in der gleichen Galerie ein Jahr später in '26 Objekte n’ Kumpir'), 2009; außerdem in der Ausstellung 'Struktur & Organismus' im Marillenhof - Destillerie Kausl, Österreich, wo er einen Schutzraum baute, in dem sich Liebende verstecken konnten ('The cabin where he spent the night was so small that anyone who wasn't a child or a dwarf couldn't lie down full-length inside it'), 2011. Dies war auch ein Experiment, das er für seine Beteiligung an der Gruppenausstellung 'Based in Berlin' 2011, mit der Arbeit ´Astronauts saw my work and started laughing', wiederholte. Ein natürliches Zelt aus Pflanzen formte eine Struktur, die Schutz gewährt und Intimität erzeugt.

 

Auch in letzter Zeit verharrte Halilaj auf dem Thema „Nest, Schutz, Familie“ und zwar in seiner jüngsten Arbeit, die im ersten Pavillon des Kosovo auf der Venedig Biennale 2013 gezeigt wird. Die gesamte Installation 

'I'm hungry to keep you close. I want to find the words to resist but in the end there is a locked sphere. The funny thing is that you´re not here,

nothing is' basiert in seiner anfänglichen Form auf einem Gespräch zwischen dem Künstler und seiner Mutter. Sie besteht in einem riesigen Nest für zwei Kanarienvögel, den Haustieren des Künstlers und seines Partners. Besucher können die Vögel nur durch ein kleines Loch sehen. Auf der rechten Seite hängt ein Kleid von der Nestdecke herab; es ist ein Frauenkleid, aber in der Größe des Künstlers. Es hängt auf einem hölzernen Kleiderbügel, ein Geschenk des Großvaters des Künstlers, der Halilaj verschiedene handgemachte Kleiderbügel für sein neues Haus geschenkt hatte.  

 

 

Das kleinere Nest in dieser Ausstellung trägt einen langen Titel: 'It seems like something’s burning inside, feels like not to sleep

cold outside, inside warm very volcano, above that green pen. It turns  into grey ground. Black mountains. An e-mail is delivered and my Mac

is black, satellites fall down like rain and my tom tom can’t tell me where I am. I’m scared. Look into my eyes my love, oh   darling without

my chip I can’t no longer see. Let me turn it on. No, don’t you feel something great, from the pierced cloud it’s coming towards our Finimo.'

Der Text ist eine der zahlreichen poetischen Notizen aus der Feder des Künstlers. Diese stellen einen wichtigen Teil seiner Praxis dar, ein beständiger Weg, über Details und seine eigenen Zweifel, Ideen, Unsicherheiten und Entdeckungen zu reflektieren. Im Zentrum des gelben Lichtkastens innerhalb des Nestes finden wir ein kleines Modell des Space-Shuttle. Dieses Detail lenkt die Aufmerksamkeit auf einen inneren Widerspruch dieser Arbeit: der Wunsch nach Schutz und Ruhe gleichzeitig mit einem utopischen Sprung Richtung Zukunft. 

Die Ausstellung wird vervollständigt mit der Arbeit 'Celebration', 2013, die in einer Dia-Schau mit handgezeichnetem Feuerwerk besteht. Trotz des formalen Unterschieds erinnert diese Arbeit an die große Himmel-Installation, die Halilaj vor zwei Jahren in seiner Einzelausstellung im Kunstraum Innsbruck gezeigt hatte: 'Because it is for you my dear, and the Sky doesn't see you and we can fall. Yes I am doing it for you, to see if you are free too', 2011. Beim Aufblicken innerhalb hölzener Strukturen, die von der Raumdecke herunterführten, konnte man einen rotierenden handgemalten Himmel erblicken, welcher sich kontinuierlich von Tag zu Nacht zeitlich rückwärts drehte. Obwohl bedeutend kleiner und einfacher, enthüllt auch ´Celebration´ die Fähigkeit des Künstlers, einfache handwerklich gefertigte Mechanismen zu schaffen, die gleichzeitig magisch und poetisch sind; ein Kinderkarussell, das in der Lage ist, den Betrachter in die Vorstellungswelt des Künstlers zu führen.                 

 

Petrit Halilaj wurde 1986 in Runik, Skenderaj (Kosovo), geboren; er lebt und arbeitet im Kosovo, in Mantua und in Berlin.

Aktuell: Kosovo Pavillion, Venedig Biennale, kuratiert von Kathrin

Rhomberg, kommissioniert durch Erzen Shkololli, Arsenale, Venedig (2013).

In Vorbereitung: Einzelausstellung im  WIELS Contemporary Art Center, Brüssel, kuratiert von Elena Filipovic (September 2013).

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